In Hannovers Innenstadt reiht sich ein Geschäft an das nächste und viele Menschen durchqueren täglich die Einkaufsstraßen. Doch in nicht allzu großer Entfernung befinden sich die verlassenen Orte der Stadt, die teilweise schon seit langer Zeit in Vergessenheit geraten sind. Die sogenannten „Lost Places“ sind in der Region Hannover zahlreich zu finden. Diese sind oftmals schon seit vielen Jahren verlassen und prägen das Bild der Stadt. Sie stehen dennoch nicht unter Denkmalschutz und verwildern. Die Natur holt sich an diesen Stellen den Platz zurück, der einst ihr gehörte. In den meisten Fällen ist das Betreten der Grundstücke und Gebäude sowohl illegal als auch mit sehr vielen Gefahren verbunden.
Der wohl bekannteste verlassene Ort Hannovers umfasst die Produktionshallen des Continental-Werks. Diese befinden sich am Stichkanal in Limmer. In früheren Jahren sind zu einigen Zeiten mehr als 1000 Mitarbeiter mit der Fertigung von Fahrradschläuchen und Schuhsohlen beschäftigt gewesen. Doch im Jahr 1999 wurde der Betrieb in den Produktionshallen beendet. Bis heute gehen Menschen in den wenigen noch bestehenden Gebäuden ein und aus. Interessierte brechen trotz der vielen Gefahren in die Hallen ein, um Fotos zu schießen oder Graffitis an die Wände zu sprühen. Nun wird auf dem Gelände die „Wasserstadt“ erbaut, die insgesamt 1.800 Wohnungen besitzt und mehrere tausend Menschen einquartieren soll. Der weitere Umgang mit den Produktionshallen ist noch nicht geklärt, es steht nur fest, dass der Conti-Turm erhalten werden soll.
Die bekanntesten „Lost Places“ im Überblick
Ein weiterer „Lost Place“ stellt der im Jahr 1986 geschlossene Freizeitpark in Kirchhorst dar. Auch dort ist das Begehen des Geländes nicht erlaubt. Des Weiteren befindet sich ein Hochbunker in der Haltenhoffstraße. Dieser ist einer der größten noch bestehenden seiner Art und erinnert an den 2. Weltkrieg. Ebenfalls aus dieser Zeit stammt die Heeresmunitionsanstalt in Hänigsen. Dort lagerte die Wehrmacht Munition und rund 1500 Zwangsarbeiter mussten hart für die Nationalsozialisten arbeiten. Nach dem Ende des Kriegs wurden die Kampfmittel von dem Gelände entfernt. Zum heutigen Zeitpunkt befinden sich noch einige der Lagerhäuser auf dem Grundstück. Diese sind im Besitz von Lorenz Snack, der Tochterfirma des Unternehmens Bahlsen und werden nicht mehr genutzt. Ein etwas unbekannterer verlassener Ort ist die Villa Eichengrund, die sich im Wald bei Kleinburgwedel befindet. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine große Villa, sondern um eine kleine und einfache Hütte aus Holz. Dennoch versprüht sie einen besonderen Charme. Die Hütte ist seit mehreren Jahren verlassen, aber das Inventar scheint kaum angerührt. Auf dem Tisch liegen alte Zeitschriften und Briefe, die Geschichten aus einer zurückliegenden Zeit erzählen. Die Schränke sind bis heute gefüllt und auf der Veranda stehen Stühle. Das Grundstück ist nun eingezäunt und die Hütte stark einsturzgefährdet.
In Hannover befinden sich noch weitere vergessene Orte: Am Braunschweiger Platz steht der alte Ringlokschuppen der Bahn. Es gibt das verlassene Freibad in Neustadt, die alte Polizeischule, eine U-Bahn-Station am Raschplatz und auf einer Wiese in Vahrenheide sind bis heute alte Panzer zu finden.
Nicht alle „Lost Places“ bleiben unberührt
Ein weiteres Beispiel dafür, dass nicht alle „Lost Places“ verlassen bleiben ist, ebenso wie das Gelände des ehemaligen Continental-Werks, die Freiherr-von-Fritsch-Kaserne. Das 27.000 Quadratmeter große Gelände befindet sich an der General-Werner-Straße und wurde von 1937 bis 1939 mit einer Artilleriekaserne bebaut. Einige Jahre später wurde das Grundstück von der Bundeswehr übernommen und bis ins Jahr 2001 zur Stationierung von Soldaten genutzt.
Nun haben im August 2019 die Abrissarbeiten begonnen. Laut Andrea Gremmer, Projektleiterin der Niedersächsischen Landesgesellschaft (NLG) müsste nun so vorgegangen werden, da die Gebäude „nicht mehr zu retten sind, weil überall Feuchtigkeit eingedrungen ist. Das haben Gutachten bestätigt“. Es sollen 775 Wohnungen entstehen und somit wird eines der größten Projekte im Bereich des Wohnungsbaus der Stadt Hannover in Angriff genommen. Dabei soll es sich vor allem um Mehrfamilienhäuser mit 3-4 Geschossen handeln. Aber auch Doppelhaushälften und freistehende Einfamilienhäuser sollen erbaut werden. Im Jahr 2016 wurde mit der Planung der Flächen begonnen. Das Wohnbauprojekt wird unter dem Namen „Gartenstadt Hannover-Nord“ vermarktet und soll mehr als 1.500 Menschen ein neues Zuhause bieten. Neben den vielen Wohnungen soll es zwei Bürogebäude, einen Supermarkt und zwei Kitas geben. Der hannoversche Rat hat des Weiteren eine neue Vorgabe erstellt. Demnach müssen 30 Prozent der gebauten Wohnungen für Menschen mit einem niedrigen Einkommen bereitstehen. Durch diesen Beschluss will der Rat erreichen, dass auch Familien aus der Mittelschicht, die ein normales Einkommen aufweisen eine Wohnung bezahlen können.
Problematisch könnte der Boden auf dem Gelände werden. Dieser ist an vielen Stellen durch z.B. Munitionsreste oder Kriegsschutt belastet und muss teilweise bis 1,70 Meter Tiefe ausgetauscht werden. Die Niedersächsische Landesgesellschaft rechnet nur durch die Räumung der Flächen mit einem Betrag von ca. 18 Millionen Euro. Nach der Räumung sollen sich verschiedene Bauträger beteiligen. Dabei bestehe sowohl regionales als auch überregionales Interesse seitens der Unternehmen.
Mitte 2020 soll ein gültiger Bebauungsplan vorgelegt werden. Falls dann alles stimmig ist soll in der zweiten Hälfte des Jahres mit dem Hochbau begonnen werden. Das Ziel ist die Fertigstellung der ersten Wohnungen im Jahr 2022.
Die Stadt Hannover hat demnach viele Orte zu bieten, die vergessen sind, aber dennoch an vergangene Zeiten erinnern. Einige von ihnen bleiben unberührt, andere sind die Grundlage neuer Projekte.
Autor: Pauline Born, Mitarbeiterin Content Management
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