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Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Pandemie auf den deutschen Immobilienmarkt?

Aktualisiert: 8. Okt. 2020


Seit Anfang des Jahres breitet sich das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) in Deutschland aus. Die Bevölkerung unterliegt vielen Maßnahmen der Regierung, die die weitere Ausbreitung des Virus verlangsamen sollen. Schulen, Universitäten und Kindertagesstätten sind geschlossen. Ebenso wie ein Großteil der Einzelhandelsgeschäfte und weitere Dienstleistungsunternehmen. Diese Einschränkungen haben starke Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und auch die Immobilienwirtschaft ist betroffen. Doch welche Auswirkungen wird die Pandemie zukünftig für die verschiedenen Unternehmen der immobilienwirtschaftlichen Märkte haben?


Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung der Immobilienbranche sehr schwer. Allerdings steht fest, dass die Dauer der Krise entscheidend für die Entwicklungen der Immobilienwerte in der Zukunft ist. Sowohl für Anleger als auch für die selbstnutzenden Immobilieneigentümer ist die Ermittlung des Immobilienwertes derzeit von großer Bedeutung. „Uns erreichen verstärkt Anfragen von Kunden, die ihre Marktchancen ausloten und erfahren möchten, was ihre Immobilie am Markt wert ist und wohin der Trend geht.“, so der Sprecher der Rohrer Firmengruppe. Aufgrund der Änderungen der derzeitigen Risikolage überprüfen auch institutionelle Anleger ihre Bestände und Reserven. „Wir interpretieren das als Vorsichtsmaßnahme, falls die Liquidität knapp werden sollte oder bilanzielle Reserven durch einen Verkauf gehoben werden müssten.“, erläutert der Sprecher der Rohrer Firmengruppe. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es nicht möglich eine klare Auskunft über die weitere Entwicklung der Werte von Immobilien darzulegen.

Laut Dr. Tobias Just, dem wissenschaftlichen Leiter und Geschäftsführer der IREBS Immobilienakademie, wäre es eine Illusion, eine Einschätzung der zukünftigen Ereignisse innerhalb der immobilienwirtschaftlichen Märkte zu liefern. Grund dafür sei unter anderem die schnelle Ausbreitung des SARS-CoV-2 in gesamt Europa. Vor allem die mittelfristigen Folgen könnten nicht explizit eingeschätzt werden, da diese von bisher unbekannten Faktoren abhingen.

Eindeutig sei allerdings, dass sich die Unsicherheiten der Eigentümer negativ auf die immobilienwirtschaftlichen Unternehmen auswirken, beschreibt die bulwiengesa. Diese negativen Auswirkungen resultierten aus den Verschiebungen von Entscheidungen über die Anmietung oder den Kauf von Immobilien, erläutert Marcus Badmann, Geschäftsführer der bulwiengesa appraisal GmbH.




Auswirkungen des Coronavirus auf die Werte von Immobilien

Grundsätzlich gibt es zwei Varianten, wie sich die Lage in der Zukunft entwickelt. Zunächst besteht die Möglichkeit, dass sich die deutsche Wirtschaft in kurzer Zeit wieder erholt, da die Pandemie hierzulande nicht sehr gravierend verläuft. Sven Keussen, der Chef der Rohrer Firmengruppe, rechnet mit einer „Verschnaufpause“ für die immobilienwirtschaftlichen Märkte. Unterstützt wird diese These von Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Dieser rechnet damit, dass sich die Immobilienpreise zukünftig langsamer entwickeln werden oder zum Teil stagnieren. Des Weiteren rechnet er auf unterschiedlichen Märkten mit verschiedenen Entwicklungen. „Während die Auswirkungen im Wohnungsmarkt tendenziell moderat sein werden, könnte es im Hotelmarkt aufgrund möglicher Insolvenzen von Betrieben stärkere Effekte geben. Badmann geht von mäßigen Folgen für die Immobilienwirtschaft aus. „Wenn wir davon ausgehen, dass der Einfluss der Coronakrise auf die Wirtschaft sich auf mehrere Monate beschränkt, werden sich danach die Miet- und Kaufnachfrage und somit das Investitionsvolumen sicherlich nicht einheitlich ad hoc auf das Vorkrisenniveau begeben“. Es bleibe abzuwarten, wie groß die Zahl der Teilnehmer am Markt ist, die keine Schäden durch die Pandemie erleiden und im Nachhinein versuchen liegengebliebene Transaktionen aufzuholen.

Der zweite Verlauf könnte sich durch eine weltweite, tiefgreifende Rezession äußern. Analysten von Savills, einem globalen Immobiliendienstleister, haben die Prognose aufgestellt, dass die Immobilienwirtschaft eine deutliche Senkung der Nachfrage, der Flächenumsätze und der Mieten erwarten könnte. Zudem könnte die Leerstandsquote steigen. Sollte dieses Szenario eintreten, würden auch, die sonst nicht so stark betroffenen Wohnungsmärkte eine negative Entwicklung verzeichnen. Grund dafür seien dann die steigende Zahl der Arbeitslosen beziehungsweise die sinkenden Einkommen. Keussen warnt: „Drei oder vier Monate Stillstand wären eine allgemeinwirtschaftliche Katastrophe mit kaum absehbaren und nicht mehr kalkulierbaren Folgen für den Immobilienmarkt“.


Die Auswirkungen der Pandemie auf die immobilienwirtschaftlichen Unternehmen

Laut Franz Eilers, dem Leiter der Immobilienmarktforschung vdp Research, würden Hotel- und Tourismusimmobilien am unmittelbarsten unter der Krise leiden. Aufgrund der verschiedenen Maßnahmen seitens der Regierung, wie z.B. Quarantänemaßnahmen, Reiseverbote und -beschränkungen, Schließungen öffentlicher Veranstaltungen und dem Verbot von Großveranstaltungen, müsste die Hotel- und Tourismusbranche einen starken Einbruch der Nachfrage verzeichnen. Eine ähnliche Entwicklung müssten Einzelhandelsimmobilien erwarten, sofern diese nicht der Abdeckung des täglichen Bedarfs dienen. „Dies vor Augen ist davon auszugehen, dass sich Investoren auf diesen Teilmärkten zunächst sehr zurückhaltend verhalten werden“, so Eilers. Die Prognose der Analysten von Jones Lang LaSalle (JLL), einem Beratungs-, Dienstleistungs- und Investementmanagement-Unternehmen im Bereich der Immobilienwirtschaft besagen, dass das Wohnimmobiliensegment zuletzt Auswirkungen der Pandemie spüren wird. Laut Just seien vor allem Immobilienwerte von solchen Branchen betroffen, die bis zum jetzigen Zeitpunkt als sehr sicher galten.



Hotel & Gastronomie

Über einen kurzfristigen Zeitraum sind besonders stark diejenigen Branchen betroffen, die eine unmittelbare Abhängigkeit vom Tourismus aufweisen. Dazu zählen unter anderem Hotels, Restaurants sowie Freizeit- und Messeveranstalter. Mehr als 80 Prozent der Hoteleigentümer in Deutschland berichten, dass sie bereits vor den Reiseverboten weniger Umsatz verzeichnen mussten. Diese Entwicklung könnte vor allem für kleiner Betriebe kurzfristig eine Bedrohung der Existenz bedeuten. Sollten die Beschränkungen bis nach dem Sommer anhalten, so muss die Branche über einen mittel- und langfristigen Zeitraum mit verschärften Maßnahmen zur Sicherung dieser rechnen. Sobald die Krise überstanden ist, stellt sich ein gewisser Nachholeffekt ein. Dennoch wird prognostiziert, dass Investitionen in Hotelimmobilien verschoben werden und deren Standorte einer neuen Bewertung unterzogen werden müssen.

Groß- und Einzelhandel

Die von der Regierung angeordneten Schließungen der Ladengeschäfte haben laut des Handelsverbandes (HDE) bereits in der ersten Hälfte des Monats März dafür gesorgt, dass die Branche täglich 1,15 Mrd. Euro weniger Umsatz generieren kann. Ohne die Möglichkeit des Online-Geschäfts könnten die Unternehmen keine Umsätze mehr erwirtschaften. Als Beispiel der Modehandel: Dieser hat bis zum 20.03.2020 42 Prozent weniger Umsätze als im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Hinzu kommen die laufenden Fixkosten sowie die monatlichen Ausgaben für das Personal, Mieten und Unterhaltung. Aufgrund dieser Situation prognostiziert HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth, dass die ersten Einzelhändler innerhalb der nächsten drei bis vier Wochen in Insolvenz gingen. Darüber hinaus könne der Einzelhandel eine Dauer dieser Zustände nicht länger als acht Wochen überbrücken. Kurzfristige Ergebnisse stellen Mietminderungsforderungen und Mietstundung dar. Des Weiteren besteht für die Zukunft das Problem, dass insolvente Unternehmen nicht mehr an der Anmietung von Gewerbeflächen teilnehmen und diese somit leer stehen. Weiterhin werde es aus mittelfristig weniger Nachrücker für diese freien Gewerberäume geben. Blicke man weiter in die Zukunft, gebe es auch in dieser Branche einen Nachholeffekt. Dennoch müsse damit gerechnet werden, dass die Passantenfrequenz niedriger sein wird als zuvor, so Genth.


Nahversorgung

Kurzfristig ist der Lebensmitteleinzelhandel eine der Branchen, die profitiert und eine positive Entwicklung verzeichnen kann. Die Einschätzungen zu der derzeitigen Lage hat sich auf den höchsten Wert seit Beginn der Messungen im Jahr 1972 verbessert. Der Lebensmitteleinzelhandel muss mit keinerlei Problemen rechnen. Nach der Krise werden sich die Nachfrage und das Einkaufsverhalten voraussichtlich normalisieren.


Logistik

Die Nachfrage an Logistikimmobilien, deren Zweck die Lagerung von Gütern des täglichen Bedarfs ist, steigt weiterhin an. Der Grund für die vermehrte Nachfrage an Logistikflächen ist das Wachstum des Onlinehandels durch die Schließung der Einzelhandelsgeschäfte. Laut dem Fachmagazin „Lebensmittel Praxis“, seien innerhalb einer Woche 40 Prozent mehr Lebensmittel verkauft worden als im Vorjahreszeitraum. Innerhalb von drei Tagen verzeichnete die Bundesvereinigung Logistik (BVL) eine Nachfrage von 1 Millionen Quadratmetern Lagerfläche.




Die Lage auf dem Wohnungsmarkt in Niedersachsen

Der Wohnungsverband vdw Niedersachsen Bremen ist der Meinung, dass niemand seine Wohnung verlieren dürfe. „Wir erwarten, dass die Wohnungswirtschaft wie alle anderen Branchen unterstützt wird“, so vdw-Verbandsdirektorin Susanne Schmitt. „Umso schockierter waren wir von den Plänen der Bundesregierung, das Kündigungsrecht der Vermieter wegen Zahlungsverzugs für sechs Monate auszusetzen“. Es könne, laut Schmitt, nicht sein, dass die Vermieter letztendlich diejenigen sind, die das Risiko eines Verlustes des Umsatzes alleine tragen müssen. Diese Vorgehensweise würde zu einem sofortigen Investitionsstopp führen und viele Vermieter in die Ruinen führen. In Zusammenarbeit mit dem Präsidenten des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) Axel Gedaschko wurde in einem Gespräch mit der Niedersächsischen Landesregierung auf die folgenden Probleme des Gesetzes hingewiesen. Daraufhin hat der Gesetzgeber die Geltungsfrist des neuen Gesetzes von sechs Monate auf drei Monate herabgesetzt. Doch dieser Entschluss reiche nicht. Der Wohnungsverband vdw fordert die Einrichtung eines „Sicher-Wohnen-Fonds“. Schmitt erläutert, dass kein Bürger aufgrund der, durch die Krise verursachten, Zahlungsprobleme seine Wohnung verlieren dürfe. Die Gesetze der Regierung müssten gleichermaßen ein Schutz für Mieter und die wohnungswirtschaftlichen Unternehmen darstellen.

Die expliziten Folgen der Pandemie auf die Immobilienwirtschaft in Deutschland sind zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht absehbar. Es spielen laut Dr. Just viele Faktoren eine Rolle, die nur spekulativ sind. Wichtige Kriterien stellen allerdings die Dauer der Pandemie und die weiteren Entwicklungen der Wirtschaft dar.


Autor: Pauline Born, Mitarbeiterin Content Management




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